Zwischen Verbot und Rücksichtslosigkeit

Liebevoller Umgang mit unterschiedlichen Überzeugungen
(Römer 14 und 1. Korinther 8 + 10)

Was sind denn unterschiedliche Überzeugungen?

Lese Römer 14, 1-2,5.
Um diese Verse besser zu verstehen, müssen wir zunächst die damalige Situation verstehen. Wenn hier von Fleisch die Rede ist, müssen wir uns vorstellen, dass es damals nicht wie heute frei im Supermarkt verfügbar war. Fleisch konnte man auf dem Markt und in den Tempeln kaufen. Das Fleisch vom Markt kam meistens von den Tempeln, wo es zuvor den römischen Göttern geopfert wurde.

Es gab Christen, die Fleisch mitbrachten, und andere Christen fanden das nicht richtig und waren der Meinung, dass man nicht Fleisch essen sollte, das für die Götter bestimmt war. Für sie war das nicht richtig, da sie selbst vor ihrer Wiedergeburt den Göttern geopfert hatten und das Fleisch daher mit Götzendienst verbunden sahen. Andere Christen sagten jedoch: „Fleisch ist Fleisch, Christus ist größer als die Dämonen, und die Götter existieren doch gar nicht.“

Paulus geht der Frage nach, wie wir mit unterschiedlichen Ansichten umgehen sollen.

Was sind unterschiedliche Überzeugungen?
Unterschiedliche Überzeugungen beziehen sich darauf, ob eine Nebensache eine Sünde ist oder nicht.

Ob etwas eine Sünde ist oder nicht, ist eine sehr wichtige Frage, da wir Sünde auf jeden Fall vermeiden sollten. Sollten wir in Zweifel eine Situation einfach als Sünde betrachten, um auf Nummer sicher zu gehen, oder sollten wir leichtfertig damit umgehen?

Paulus gibt uns hier zunächst in 1. Korinther 8,8 eine einfache Antwort: „Was wir essen, entscheidet nicht darüber, wie wir vor Gott dastehen. Vor ihm sind wir weder besser noch schlechter, ob wir nun das Fleisch essen oder nicht.“

Ist damit nicht alles gesagt? Nein, ganz so einfach ist es nicht.

Eine eindeutige Sünde fällt nicht unter den Begriff der unterschiedlichen Überzeugungen. Ich kann nicht einfach sagen: „Es ist egal, was ich mache. Ob ich etwas mit einer anderen Frau zu tun habe oder nicht, macht keinen Unterschied mehr, Christus ist doch für alles gestorben.“ Die Bibel definiert bestimmte Dinge klar als Sünde, und Paulus hebt das auch keineswegs auf. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine Uneinigkeit über eine Nebensache eine Sünde ist – eine Sache, über die die Bibel nicht ausdrücklich spricht, und über die wir uns nun Gedanken machen müssen, wie wir damit umgehen.

Paulus geht so damit um, dass er sagt, dass diese Dinge prinzipiell keine Sünde sind. Es macht keinen Unterschied, ob ich dieses Götzenopferfleisch esse oder nicht. Beides macht mich nicht besser und auch nicht schlechter vor Gott. Das ist eine sehr wichtige Grundlage. Das ist auch das, was unsere Freiheit in Christus definiert. Christus hat uns nicht in ein Gesetz hineingestellt, wo wir 613 Gebote auf den Punkt genau einhalten müssen. Er gibt uns Leitplanken und gewisse Dinge, die erstmal keine Sünde sind.

Paulus weiß um die Nöte der Leute und geht einen Schritt weiter. Die Leute machen das nicht, um jemandem etwas aufzuerlegen, sondern weil sie das wirklich nicht in Ordnung finden. Weil sie vor einem Jahr vielleicht selber noch das Fleisch dem Götzen im Tempel geopfert haben. Paulus stellt hier zwei Gruppen heraus. Einmal den Schwachen im Glauben, das ist der, der sagt „Nein, das ist nicht in Ordnung, diese Nebensache ist für mich eine Sünde“. Und der Starke im Glauben ist für Paulus der, der sagt „Nein, das ist für mich kein Problem“. Das soll keine direkte Wertung sein, dass es besser ist, der Starke zu sein oder der Schwache zu sein, denn beide haben ihre Daseinsberechtigung. Wenn wir bei den unterschiedlichen Überzeugungen sind, müssen wir erstmal eingrenzen. Paulus sagt folgende Worte:

Lese 1.Korinther 8, 4,7
Paulus sieht, dass es den Menschen nicht gut geht, wenn sie das tun. Er sieht, dass sie eine Beziehung dazu haben und eine Verbindung dazu herstellen zu Dingen, die eigentlich neutral sind und die nicht gut sind. Wenn so ein Mensch jetzt hingeht und dieses Götzenopferfleisch isst, weckt es bei ihm vielleicht Erinnerungen und Versuchungen. Wenn er das Fleisch trotzdem isst, belastet er sein schwaches Gewissen und dies wird für ihn in dem Moment zur Sünde. Das heißt, eine Sache kann objektiv keine Sünde sein, weder gut noch schlecht, aber es kann für den einen, der mit einem schlechten Gewissen daran geht, zu einer Sünde werden, wenn er es so isst.

Paulus redet weiter.

Lese 1. Korinther 10, 19-21
Widerspricht sich Paulus hier und sagt, dass es doch nicht in Ordnung ist? Nein, tut er nicht. Hier geht es darum, dass diese starken Christen, die der Meinung waren, sie können alles, nicht nur das Fleisch gekauft haben, sondern auch in den Tempeln an den Essen teilgenommen haben. Sie waren Teil dieser Opferzeremonie. Das heißt, diese Nebensache Fleisch kann auch in einem gewissen Kontext für den Starken Christen zur Sünde werden. Das müssen wir gut unterscheiden. Das macht das Leben jetzt nicht einfacher, da ich keine Ja- oder Nein-Antwort habe. Darf ich als Christ dies oder jenes tun? Ja oder nein?

Es gibt keine dritte Sache, die wir definieren müssen, wenn wir von unterschiedlichen Überzeugungen sprechen. Häufig möchten wir zu Fragen wie „Was ist erlaubt und was nicht?“ ein Ja oder Nein hören. Aber manchmal handelt es sich einfach um Dinge, die neutral sind, weder Sünde noch besonders gut. Aber auch eine Nebensache kann immer noch weise oder unweise sein. Aufgrund der Tatsache, dass bestimmte Verhaltensweisen weise oder nicht weise sein können, begeben wir uns nicht auf eine Schwarz-Weiß-Sichtweise, in der es entweder Sünde ja oder Sünde nein gibt. Hier befinden wir uns auf einer Skala von Weisheit bis Unweisheit. Paulus bringt das in Korinther 6,12 passend auf den Punkt: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich. Alles ist mir erlaubt, aber ich will mich von nichts beherrschen lassen.“

Wie gehen wir jetzt liebevoll mit den unterschiedlichen Überzeugungen um?

Paulus sagt, dass die Menschen um uns herum uns an unserer Liebe zueinander erkennen sollen und nicht an unseren Streitigkeiten. Grundsätzlich sagt Paulus folgendes:

Lese Römer 14,3-6.

Die Welt hat eine Philosophie, Leben und leben lassen. Diese Philosophie kann nicht aufgehen, denn wenn ich etwas tue, was ich für richtig halte, beeinträchtige ich das Leben anderer damit. Paulus will uns hier aber sagen: Mach die Nebensache nicht zu deiner Hauptsache, sondern lass den einen so handeln und den anderen so. Und sei in deinem Tun völlig überzeugt und gib Gott die Ehre dafür. So haben wir eine einfache Lösung für viele Konflikte. Wenn wir einsehen, dass es kein heilsentscheidendes Thema ist und es völlig in Ordnung ist, wenn wir unterschiedliche Meinungen und Ansichten dazu haben.

Manchmal bist du der Geistlich Starke bei einem Thema und bei anderen der Geistlich Schwache. Paulus konkretisiert das Thema noch einmal. An die Geistlich Starken richtet Paulus folgende Worte in 1. Korinther 8,1: „Die Erkenntnis bläht auf, aber die Liebe baut auf.“

Der Starke neigt schnell dazu, sich über den Schwachen zu erheben. Als Starker ist es deine Aufgabe, dem Schwachen in Liebe zu begegnen, denn die Liebe baut den Schwachen auf. Auf diese Weise wird ein stabiles Fundament für eine stabile Gemeinschaft geschaffen. Nicht indem du dich über den anderen erhebst und dich für etwas Besseres hältst und den anderen verachtest, sondern indem du ihn aufbaust.

Lese 1. Korinther 8,9-12.
Paulus führt aus, dass wenn du als Starker denkst, dass du viel erkannt hast, du in der Verantwortung dem Schwachen gegenüber stehst und auf ihn Rücksicht nehmen sollst. Eigentlich ist das doch naheliegend. Wenn ich weiß, dass jemand mit einem bestimmten Thema zu kämpfen hat, werde ich doch Rücksicht auf ihn nehmen und mich im Umgang mit ihm zurückhalten und ihn nicht bei jeder Gelegenheit in Versuchung führen. In diesem Fall ist es wichtig, dass wir als Starke die Freiheit haben, unsere Freiheit aus Liebe unseren Geschwistern gegenüber einzuschränken. Das beste Beispiel dafür ist Jesus. Jesus hätte nicht auf die Erde kommen müssen. Er hat alles aufgeopfert. Wer bist du als Starker, einen Schritt zurückzugehen und Rücksicht zu nehmen auf deinen Bruder?

Wenn du dafür sorgst, dass dein Bruder oder deine Schwester durch dein Verhalten rückfällig wird oder du zum Anstoß wirst, sündigst du nicht nur über dieser Person, sondern auch Christus gegenüber.

Aber es ist wichtig, dass dieses Argument nicht missbraucht wird.

Was ist ein Anstoß und was nicht?

Ein Anstoß ist etwas, was einen Bruder oder eine Schwester persönlich in Versuchung führt oder sogar das Potenzial hat, ihren Glauben zu zerstören. Als Starker solltest du das deinem Bruder oder deiner Schwester nicht antun. Wenn du das tust, sündigst du vor Christus selbst, weil der Schwache durch deine Erkenntnis zu Grunde geht. Aber daraus ergibt sich auch, was kein Anstoß ist. Ein Anstoß ist nicht „etwas gefällt mir nicht, also tue das nicht, damit du mir nicht zum Anstoß wirst“. Wenn du das sagst, begibst du dich in die Position des Schwachen, das ist völlig in Ordnung, aber du musst dir überlegen, ob du dorthin willst. Zweitens musst du dir überlegen, ob du das, was Paulus hier mit „Rücksicht nehmen“ schreibt, missbrauchst, um deine Interessen durchzusetzen.

Es ist kein Anstoß, wenn ich zum Beispiel sage: „Ich halte es für unangebracht, wenn du so rumläufst“, und es hat mit meinem persönlichen Glauben nicht zu tun. Das ist ein Ärgernis, aber kein Anstoß. Es ist wichtig, dass wir uns auf die Bibel berufen und nicht schauen, was unseren Interessen dient.

Wenn du dir die Frage stellst, ob du mit einer bestimmten Sache ein Problem hast, das dich in Versuchung führen könnte, dann ist es wichtig, dass du als Schwacher zum Starken gehst und ihn bittest, Rücksicht auf dich zu nehmen. Wenn du dies bejahen musst, ist es klar, dass der Starke sagen sollte: „Ich will nicht, dass mein Bruder oder meine Schwester wegen mir rückfällig wird oder kaputtgeht. Ich werde in Anwesenheit dieser Person dieses oder jenes nicht mehr tun und Rücksicht nehmen.“ Wir sollten unsere Stärken und Schwächen berücksichtigen und einander in Liebe begegnen, ohne zu richten.

Zusammenfassung der Aufforderungen an den Starken:

• Den Schwachen in Liebe annehmen und nicht verachten.
• Nicht versuchen, den Schwachen umzuerziehen.

Zusammenfassung der Aufforderungen an den Schwachen:

Lese 1. Timotheus 4, 1-5:
Paulus setzt hier eine klare Grenze für denjenigen, der schwach im Glauben ist. Er schreibt, dass wir einander Rücksicht nehmen sollen, aber das bedeutet nicht, dass der Schwache nun beginnen kann, sein Gewissen als Maßstab für alles und jeden zu setzen. Wenn der Schwache beginnt, sein Gewissen als Maßstab aller Dinge zu machen, begibt er sich in ein Gebiet, das Paulus mit betrügerischen Geistern und Dämonen beschreibt. Wenn ich mich zum Maßstab aller Dinge mache, mache ich nicht Gott zum Maßstab aller Dinge, sondern mich selbst. Das sollte nicht die Position des Schwachen sein.

• Der Schwache sollte erkennen, dass einige Dinge nur Überzeugungen sind, mit denen er zu kämpfen hat.
• Gewisse Dinge sind neutral und weder gut noch schlecht.
• Der Schwache sollte nicht aufgefordert werden, den Starken für besagte Nebensächlichkeiten zu richten.
• Keine Gesetzlichkeit aufrichten (keine eigenen Gesetze aufbauen).

Paulus will uns nicht auf die Finger klopfen und uns zeigen, was wir tun sollen oder nicht. Vielmehr geht es darum, dass wir uns in Liebe begegnen.

Folgender Vers aus 1. Korinther 13, 4-5 fasst das Thema perfekt zusammen:

„Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht verbissen, sie prahlt nicht und schaut nicht auf andere herab. Liebe verletzt nicht den Anstand und sucht nicht den eigenen Vorteil, sie lässt sich nicht reizen und ist nicht nachtragend.“

Ich wünsche uns allen, dass wir uns mit dieser Liebe annehmen, so wie Christus uns angenommen hat.

🙏 So darfst du beten!

  1. Herr, ich danke dir für die vielen unterschiedlichen Menschen in meinem Leben. Ich danke dir dafür, dass wir alle einzigartig sind und unterschiedliche Meinungen haben. Ich danke dir dafür, dass du uns trotz unserer Unterschiede zusammengeführt hast und uns die Möglichkeit gegeben hast, voneinander zu lernen und uns gegenseitig zu unterstützen. Ich bitte dich darum, dass du uns dabei hilfst, respektvoll miteinander umzugehen und uns auf das zu konzentrieren, was uns verbindet. Amen.
  2. Herr, ich danke dir dafür, dass du uns die Freiheit in Christus gegeben hast. Ich danke dir dafür, dass du uns nicht in Gesetze und Regeln eingesperrt hast, sondern uns die Möglichkeit gegeben hast, in Liebe und Freiheit zu leben. Ich bitte dich darum, dass du uns dabei hilfst, diese Freiheit in Weisheit und Verantwortung zu nutzen und dass wir dabei immer auf das Wohl unserer Mitmenschen achten. Amen.
  3. Herr, ich bitte dich um Geduld und Weisheit im Umgang mit Menschen, die eine andere Überzeugung haben als ich. Hilf mir dabei, respektvoll mit ihnen umzugehen und ihnen zuzuhören, ohne dabei meinen eigenen Standpunkt aufzugeben. Bitte gib mir die Kraft und die Liebe, die ich brauche, um eine Einheit in Vielfalt zu schaffen. Amen.
  4. Herr, ich bitte dich darum, dass du mir hilfst, meine eigenen Überzeugungen und Ansichten zu überprüfen und zu reflektieren. Hilf mir dabei, meine eigenen Vorurteile und Engstirnigkeiten zu erkennen und abzubauen. Bitte gib mir die Demut und die Offenheit, die ich brauche, um von anderen zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Amen.